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AutorenbildKatrin Wiemeyer

Schwarz-weiß. Der Hautkrebs und alles andere


Teil 28


„Bleib doch mal locker“


…sagt mein Sohn neulich zu mir und nimmt mich in den Arm.

Ich laufe mal wieder, wie so oft in den letzten Wochen wie ein aufgescheuchtes Huhn umher und habe das Gefühl, ich müsste zehn Sachen gleichzeitig tun und hätte dann immer noch hundert im Weg rum liegen.

Ja gut..umziehen macht einem jetzt grundsätzlich kein Gefühl von Wellness. Beim Arbeiten viel los, eine große Familie mit noch größeren Bedürfnissen und das ganz normale Leben mit seinen Aufgaben. On top das „neue Normal“ mit all seinen Arztterminen, Untersuchungen, Eingriffen und Zitterpartien.

„Da kann man doch nur verrückt werden“ ruft das nächste Fatigue-Loch und winkt mit beiden Armen.

Aber mal ehrlich, ganz so einfach ist das auch wieder nicht.

Es gibt Sachen, die hab ich nicht in der Hand.

Ob ich einspringen muss, weil in der Kita wer anders in die Knie gegangen ist ( kommt auch bei vermeintlich gesunden im Saft befindlichen, jungen Menschen vor) - passiert.

Ob das Auto mal wieder komische Geräusche macht - passiert.

Magendarminfekt für alle -passiert.

Sorgen mal ums eine und mal ums andere Kind -passiert.

Weihnachten -passiert!



Aber neben diesen Umständen, Ereignissen und natürlich manchmal auch Schicksalsschlägen, die wir alle erlebt haben, gibt es auch noch den Weg, den ich gestalten kann.


In den letzten Tagen begegnet mir immer wieder was zu diesem Thema.

Kleine Filme, Posts von anderen, Gedichte und vieles mehr. Als wollte mich einer mit der Nase in die Suppe stecken.

Heute Nacht machte mein gestresster Magen Faxen und ich hatte viel Zeit zum Denken. Das ging so weiter, bis ich mich hin gesetzt hab und angefangen, zu schreiben.

Selbsthilfe - wisst ihr noch?

Mir hilft es, zu schreiben, euch vielleicht zu lesen.


Ich hatte plötzlich die Geschichte vom alten Zen-Meister im Kopf.

Ihr kennt sie vielleicht?


Der Zen-Meister wurde von einem Schüler gefragt, warum er immer so glücklich sei.

Der Meister sagte :“Wenn ich stehe, dann stehe ich. Wenn ich gehe, dann gehe ich. Wenn ich sitze, dann sitze ich. Wenn ich spreche dann spreche ich….

Der Schüler sagte :“ Aber das mache ich doch auch!“

„Nein, wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon. Wenn ihr steht, dann lauft ihr schon, wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel.“


Nagelt mich nicht fest, ich habe bei der Recherche fest gestellt, es gibt unzählige Versionen dieser Geschichte, ich hab der Einfachheit die Kürzeste gewählt.

Mich berührt diese Geschichte sehr, denn ich bin das Paradebeispiel der Frau mit den zehn Armen.

Selten widme ich mich einer Sache ganz allein.

Das liegt sicher begründet in meinem Leben, wenn immer ein bis sechs Kinder an einem ziehen oder etwas brauchen, wird man Multitasking fähig.

Das ist auch erstmal nix schlechtes, mir hat es Überleben und Hirnleistung erhalten…

Das Problem ist nur, ich hab irgendwie den Absprung verpasst!

Heute leben bei uns nur noch zwei Kinder und die können selbständig in die Dusche und sich ne Stulle schmieren. Ich werde eigentlich nur noch halb soviel gebraucht, rase aber durch mein Leben, als wäre alles beim Alten.

Dabei könnte ich sicher langsamer machen und die schwere Jacke, die seit vier Jahren mal auf meinen Schultern und mal an der Garderobe hängt, wäre viel leichter zu tragen, schätze ich.

Ich sehe den direkten Einfluss dieser „alles- gleichzeitig-machen-Methode“ in meiner Arbeit.

Kinder, denen ich nur halb zuhöre, wenden sich ab. Sie spüren sehr genau, ob ich bei ihnen bin, oder bei hundert anderen Gedanken.

Wenn meine Kitakinder unausstehlich werden, weiß ich, ich war nicht am Ball.


Und nun?

Wäre cool, wenn es den ultimativen Tipp gäbe, oder?


Schreibt jeden Tag eine Seite.

Esst mehr rotes Gemüse.

Lest jeden Monat einen Gedichtband.

Fünfzehn Minuten Waldbaden vor dem Frühstück.


So einfach ist das leider nicht und doch liegt da überall ein Fünkchen Wahrheit.

Was dir und mir gut tut, um runter zu kommen, ist höchst individuell.

Vielleicht entspannt es dich, zehn Bleche Plätzchen zu backen, mich stresst es zu Tode.

Vielleicht erdet es mich, mit nackten Füßen über Waldboden zu laufen, du kriegst das Schütteln bei dem Gedanken.


Aber wir könnten mal folgendes probieren:


Wenn ich durch den Wald laufe, dann laufe ich.

Wenn du backst, dann backst du.

Wenn ich der Geschichte meines Kitakindes zuhöre, dann höre ich zu.

Wenn ich schreibe, dann schreibe ich.

Und wenn ich mich zum Abendessen an den Familientisch setze, bin ich nur da.

Und aus aktuellem Anlass, wenn ich Weihnachtsgeschenke verpacke, …ihr wisst schon.


Ich glaub, ich hör jetzt auf.

Ich bin abgelenkt und fange an, mehr zu machen als zu schreiben.

Ich höre meinem Sohn zu beim Gitarre spielen…

Der kann das nämlich noch.

Wenn er spielt, dann spielt er.


Wir sehen uns in Stuttgart!

Herbstliche Grüße, eure Katrin

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