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  • AutorenbildKatrin Wiemeyer

Schwarz-weiß. Der Hautkrebs und alles andere

Teil 24


Warum machen wir eigentlich weiter?


Heute habe ich bei Instagram eine bewegende Story von Paula gehört, eine der tollen Frauen in der Krebsblase, die mich zu dem inspiriert haben, was ich heute mache.

Sie heißt dort paulinapaulette, falls ihr mal bei ihr vorbei schauen wollt…

Sie sprach über die Frage, was sie eigentlich noch macht in der Krebsblase, wo ihre akute Zeit doch vorbei ist und das normale Leben einen irgendwie wieder hat.

Ich fühlte mich ihr und ihren Gedanken sehr verbunden.

Es ist nämlich so, dass dieses Geschäft nicht zu Ende ist, weil man die Akutphase hinter sich hat.

Es wird anders, die ganz große Angst jeden Tag geht vorbei, zum Glück. Die „big Dankbarkeit“ kommt manchmal angerauscht, bei mir meistens an Tagen mit plötzlichem Frühlingswetter, wenn mein Mann sich irgendwann fragt, ob ich ne gute Pille hatte. Oder wenn ich erfahre, dass ich ne Oma werde, wie neulich im September. Zum Glück.

Den Rest der Zeit macht man sich wieder Gedanken über Steuern, die Liebe der Kinder und ob das Auto den nächsten TÜV übersteht. Zum Glück.



Wenn das die ganze Wahrheit wäre, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr auf der Krebsbühne unterwegs.


Wobei das der falsche Begriff ist, denn ich will keine Bühne, vielleicht einen Tritt, so wie in meiner Küche.

Wenn man sich da drauf stellt, wird man ganz sicher gesehen und dann wohl auch gehört. Denn ich mache das hier nicht, damit mich endlich mal jemand sieht. Ich denke, diese Menschen gibt es in unserer Welt auch und ich bewerte es null.

Ich mache das, weil man zusammen weniger allein ist. Weil du und ich auch im „Danach“ nicht allein sein sollen.

Heute habe ich eine liebe Nachricht einer Mitbetroffenen bekommen, der ich antwortete , es gibt jetzt ein neues „Normal“. Und dass sie sich daran gewöhnen werde.

Um dieses „Normal“ geht es mir, wenn ich weiter mache. Um dieses „Danach“.

Während unserer Behandlungsphase nach der Diagnose werden wir mehr oder weniger ( ich sag nur Corona) intensiv umsorgt und getragen. Wir werden an die Hand genommen, kriegen Verbände gewechselt, Mut zugesprochen und ne Pille gegen Schmerz und eine gegen Kummer und Angst. Wir fahren in die Reha, werden wieder betüddelt und therapiert, kriegen gutes Essen und gute Vorträge und eine Auszeit für Körper und Seele.

Es gibt Tagebücher für diese Zeit, Aktionen und viele andere Betroffene, mit denen wir uns über einen Klick auf Social Media verbinden können.

Und dann ist das alles irgendwann vorbei.

Besonders für die, die Therapien wie Chemo oder Immuntherapie bekommen haben, muss dieser Schnitt noch extremer sein.

Wurde man monatelang untersucht, behandelt und begleitet, heisst es plötzlich, Glückwunsch! Wir sehen uns in drei oder sechs Monaten zur Nachsorge.

Und da stehen wir wieder wackelig auf unseren Beinen, sollten und wollten uns doch freuen, aber irgendwie fühlt sich das neue „Normal“ schwer an. Und wir sind leer.

Also stolpern wir so rein in das neue Leben. Wir versuchen, wieder unseren Platz zu finden irgendwo zwischen dem , was sich mal bewährt hatte und dem Jetzt. Wir gehen wieder arbeiten oder versuchen es.

Wir bewältigen die Nachwirkungen unserer Behandlungen, leben mit Schmerzen, Lymphdrainage,Fatigue und versuchen, das neue „Ich“ im Spiegel zu lieben.


Wir möchten wieder unbeschwert sein und gleichzeitig jedem Tag das Beste abringen.


Jeder Mensch weiß, dass es irgendwann vorbei ist. Aber wir haben es gefühlt. Das verändert alles.

Das ist das neue „Normal“.

Schweineanstrengend, ganz ehrlich.

Das ist die ganze Wahrheit.

Es ist nicht vorbei, es ist nicht alles wieder gut.


Und das ist genau, womit wir Menschen nicht umgehen können, deshalb fragen nicht mehr viele…nicht weil sie uns nicht lieben oder sich nicht interessieren. wir haben nicht gelernt, auszuhalten. Mal kurz die Zähne zusammenbeißen…aber ganz lang kauen?

Womöglich immer?

Das schaffen wenige. Und das ist ok.


Der Unterschied zwischen den anderen und uns ist, wir haben keine Wahl, wir kauen, bis die Zähne knirschen.


Und haben oft keine Lust mehr, über unsere Unzulänglichkeiten zu reden und außerdem ist es doch das Mindeste, dass die anderen fragen, wie es mir geht?!

Nee, ganz ehrlich, ich lerne das auch grade. Wir müssen reden. Wir müssen uns vernetzen, den Mund aufmachen und nicht beleidigt sein, wen wer von außen nicht die Worte wählt und findet, die wir angemessen finden. Denn ungelenke Worte sind besser als schweigen. Wir müssen reden, schreiben und malen.



Über die schwere Jacke bei der Nachsorge, die Ängste nach der nächsten Biopsie, den Schmerz, wenn der oder die nächste gehen muss, die Wut über die Wunden, die die Liebsten davon getragen haben.

Dieses neue „Normal“ ist manchmal zum kotzen, zum kotzen schwer, zum kotzen ungerecht und zum kotzen anstrengend.

Aber manchmal auch zum heulen schön.

Und all das muss gesagt werden, egal ob auf einer großen Bühne oder meinem Küchentritt.

Damit du nicht allein bist.

Und ich auch nicht.





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