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  • AutorenbildKatrin Wiemeyer

Schwarz-weiß.Der Hautkrebs und alles andere

Teil 4

Die Alte werden…

...mein Ziel für die kommenden Wochen.

Die Zeit der Heilung war wirklich hart. Ich hatte Schmerzen, als würde mir jemand Säure durchs Bein laufen lassen, sobald ich meinen Körper in die Senkrechte verfrachtete.

Woran das lag, war meinen Ärzten nie ganz klar. Eine kleine Thrombose wurde entdeckt, ich musste dagegen spritzen und futterte Schmerzmittel wie Smarties. In meiner letzten Reha hatte ein Arzt sofort eine Antwort, er meinte, das seien sicher Nervenschmerzen gewesen und er könne sich gut vorstellen, wie es mir ergangen sein muss. Auch wenn die Antwort im Nachhinein nichts mehr ändern konnte, tat es aber gut, zu hören, dass man nicht bekloppt war, sondern es eine plausible Erklärung gibt.

Ein Umstand, den ich als Patientin extrem wichtig finde!


Oft hat man ein Bauchgefühl

Und auch wenn mir 20 Ärzte sagen, alles ok, sie fühlen nicht meinen Schmerz. Ich würde mir wünschen, dass die Aussagen der Betroffenen öfter ernst genommen werden.

Wieviel Geschichten kenne ich mittlerweile von angeblich harmlosen Schmerzen oder ähnlichem, die sich hinterher als wichtig und ernst zu nehmend herausgestellt haben…

Nach einigen Wochen wurde es endlich besser.

Und da war ja noch Corona!

Die ganze Gesellschaft stand still, meine Kita war geschlossen und die Kinder nach wie vor zuhause. Es spielte sich langsam alles ein, Homeschooling, Masken tragen und einkaufen, wenn mal wieder ein Laden offen hatte. Was für eine verrückte Zeit, im Nachhinein betrachtet.

Da ich eh nicht arbeiten konnte, setzte ich mich mit allen wichtigen Themen zu meiner Krankheit auseinander, auch zum Thema Reha. Da ich nicht in der Klinik war, fiel ich total durchs Raster. Was sonst der Sozialdienst erledigt, erarbeitete ich mir selbst, bzw. mit Hilfe unserer Selbsthilfegruppe.


Schwerbehindertenausweis, Rehaantrag, Krankengeld…ich wurde zur Expertin in eigener Sache

Mein Hautarzt meinte zum Thema Reha übrigens zu mir, „Machen Sie das lieber nicht, da sehen Sie nur die schwer Kranken und kriegen richtig Angst!“.

Zum Glück hab ich nicht auf ihn gehört.

Ich suchte mir die Klinik Bad Oexen aus, da mich das Alterskonzept dort sofort ansprach. Auch dass die Klinik rein onkologisch war, sollte sich als gute Sache raus stellen. Schonmal beim Frühstück in die mitleidigen Augen der Dame mit Neurodermitis geguckt?

Eben - ich schätze, ihr versteht. Die Reha tat mir unglaublich gut. Ich hatte Zeit zu verarbeiten, meine Narbe wurde weiter behandelt, ich machte viel Sport und fühlte mich immer fitter.

Der Austausch mit anderen Betroffenen in meinem Alter und ähnlicher Lebenssituation tat so gut. Und nicht zuletzt schrie mein Inneres nach Kontakt zu anderen Menschen in echt! In der „Oexen-Blase“ fühlte ich mich sicher und gut aufgehoben.

Die Reha dauerte vier Wochen, danach sollte ich fünf Tage arbeiten und dann hätte ich vier Wochen Urlaub mit meiner Familie.


Veränderungen: Neues und Altes

Auf der Arbeit gab es Veränderungen und viel Durcheinander durch die neuen Regelungen und ein neues Team. Meine Leitung freute sich auf den Austausch mit mir. Und ich? Ja ich war doch wieder die Alte!! Natürlich bin ich wieder da.

Ich arbeitete vier Tage und gab alles, was ich hatte, bzw. ich gab, was ich nicht mehr hatte.

An Tag vier machte ich meinen Dienst zu Ende und klappte danach zusammen.

Ich kann diesen Zustand heute nur noch schwer beschreiben.

Ich fühlte mich wie in Blei eingegossen, alles tat mir weh. Ich war so kraftlos wie noch nie in meinem Leben und unfassbar ängstlich und verunsichert. Ich wollte weinen und konnte nicht. Mein Körper machte nur das Nötigste, für die Anstrengung einer Heulattacke gab es keinen Saft mehr.

Akku leer. Aufladegerät nicht auffindbar.

Schmeißt mich in eine gelbe Tonne und macht den Deckel zu.

Dann ist es endlich dunkel und ich hab Ruhe.


Was wäre ich auch in diesen Tagen ohne meinen Mann gewesen?

Er kümmerte sich um alles zuhause und bugsierte mich am nächsten Tag zu meiner Hausärztin.

Bei der saß ich fast zwei Stunden. Endlich konnte ich heulen. Endlich konnte ich beschreiben, wie es mir geht, ohne Rücksicht zu nehmen oder zu relativieren. Am Ende des Gesprächs sagte sie, „Sie werden jetzt eine ganze Weile ausfallen .Sagen Sie ihrem Team das, die sollen Ersatz besorgen.“

Ich verließ die Praxis mit dem ersten 4 Wochen-Krankenschein meines Lebens und einer vagen Ahnung, was sie mit „lange“ gemeint hatte. Sie versicherte mir, dass wir unsere Reise antreten sollten, sie sei offenkundig wichtig für meine Genesung und die der ganzen Familie.

Also fuhren wir los.

Ich habe zum Teil nur noch verwaschene Erinnerungen an diese Zeit.

Ich habe viel aufs Meer geschaut und mit meinem Mann gesprochen. Ich habe viel geheult und auch gelacht.


Als wir nach Hause fuhren war mir klar, dass das erst der Anfang gewesen war auf einem langen Weg zu mir selbst.

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