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  • AutorenbildKatrin Wiemeyer

Schwarz-weiß. Der Hautkrebs und alles andere.

Teil 16

Was wir brauchen...


"Willkommen in Floskelhausen" hab ich schon bei mehreren Kolleginnen gelesen, die tolle Texte schreiben.

Auch der Begriff "Bullshit-Bingo" ist uns wohl allen schon einmal begegnet.


Gemeint sind eigentlich alle Reaktionen anderer Menschen, die uns auf unserem Weg so begegnen.

Ganz besonders haben mich diese Sätze bewegt, als ich ganz am Anfang war, mitten in dieser Suppe aus Angst und Fragezeichen.

Mir ist - wie Euch vermutlich auch - alles begegnet.

Von den Berichten über die kürzlich verstorbene Cousine bis zum Ernährungsberatungsprotokoll.

Ganz besonders haben mich die Ratschläge getriggert, die mit toxischer Positivität zu tun hatten.

Und tun es bis heute.

"Ich müsse positiv denken", "letztendlich wissen wir alle nicht, was wir kriegen" und ganz besonders die Aussage, dass ich mit meinem Stadium "Glück gehabt" habe, haben mich besonders am Anfang noch mehr verunsichert.

Es klang in meinen Ohren, als habe ich es in der Hand, wieder unbeschwert zu werden.

Meine Seele fühlte aber genau das Gegenteil.

Und wenn man sowieso schon mitten im Vetrauensbruch mit seinem eigenen Körper steckt, erscheint die Idee, jetzt auch noch ein bisschen bekloppt zu sein, nahe liegend.


Versteht mich nicht falsch, ich kann nachvollziehen, dass deutlich schwerer Betroffene ein glimpflicheres Stadium als die bessere Variante empfinden...


Aber warum sich andere anmaßen, zu klassifizieren, wie es mich erwischt hat, finde ich unerträglich.


An schlechten Tagen könnte ich mich mit Hingabe aufregen über all diese Floskeln und Kalendersprüchlein, die mich den Kopf schütteln lassen.

An besseren Tagen aber denke ich, die, die mir positives Denken und Himbeeren empfehlen, sind zumindest auf der Brücke zu mir geblieben.

Obwohl sie nicht betroffen sind, obwohl ihnen das Thema Angst macht und sie Sorge haben, etwas Falsches zu sagen, bleiben sie da.

Sie halten die Verbindung, senden mal ein Herz, wünschen Glück oder drücken mich.


Vor kurzem hatte ich wieder eine Op.

Sie lief glimpflich ab, aber es war wieder was im Busch, sozusagen..und schwups, war ich wieder im Bingo meiner Umgebung unterwegs.

Ich war ab und zu genervt, aber nach mittlerweile drei Jahren kann ich sagen, jeder stelzige Satz, jede peinliche Stotterei ist mir lieber, als die Stille von denen, die nichts mehr sagen und nicht mehr fragen.

Als könnte man den Krebs aushungern, wenn man nicht mehr drüber redet.

Als könnte einem selbst nix auf der Seele wehtun, wenn man sich auf die schönen Dinge konzentriert.


Aber ich sag Euch was...

Man kann Angst haben, Gefahren realistisch betrachten, vorsorgen und trotzdem die schönen Dinge nicht aus dem Herz und den Augen verlieren!


Ich habe gute und schlechte Tage.

Manchmal könnte ich den ganzen Tag das Leben und die Liebe feiern und an anderen Tagen bin ich traurig und fühle mich tonnenschwer.

Am einen Tag bin ich total dankbar, dass ich bisher mit dem blauen Auge davon gekommen bin und am nächsten finde ich, dass da oben ganz offenbar irgendwem ins Hirn gesch.....wurde.

Ich schwenke hin und her zwischen Annahme und Dankbarkeit für die vielen guten guten Dinge , die mir begegnet sind und Wut und der "warum eigentlich" -Frage.

Nicht "warum ich", sonder "warum überhaupt irgendwer"????



Was wir brauchen...war also meine Frage...


Naja, am Ende wird das wohl für jeden etwas anderes sein.

Aber ich glaube, was sich wohl die meisten Betroffenen wünschen, ist die Brücke!

Bleibt bei uns, fragt, umarmt, traut Euch, was Falsches zu sagen.

Erwartet nicht, "dass irgendwann gut ist".


Ihr erinnert Euch vielleicht an mein Bild von der schweren, stinkenden Jacke, die uns immer wieder auf die Schultern gepackt wird.

Und uns würde ich raten, dass wir nicht zu empfindlich sind, nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen.

Die Menschen, die uns zu Himbeeren und Meditation raten, wollen am Ende vielleicht einfach ein bisschen unsere Arme unterhaken. So wie wenn man die alte Dame an der Treppe stützt.

Sie wissen, die Jacke können sie nicht für uns tragen, sie wissen nicht so richtig, was richtig ist.

Sie machen Fehler.

Wir aber auch.

Für mich zählt am Ende nur, dass sie geblieben sind...obwohl auch sie den Muff der Jacke spüren.


Ich bin dann mal wieder weg.

Haltet die Augen auf für die schönen Dinge und die Brücken...

Und schreit auch mal "scheisse"!

Mach ich auch.


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